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Von Empathen, Maschos, und Frauenversteher - und was Ihnen Zeige- und Ringfinger darüber verraten kö

Sind Sie eine Frau oder ein Mann? Haben Sie ein weibliches oder eine männliches Gehirn? Und was hat das mit Ihrem Zeige- und Ringfinger zu tun?

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Bereits vor mehr als 250 Jahren wusste Giacomo Casanova, dass seine Hand geformt ist wie die aller Abkömmlinge Adams. Sein Zeigefinger war kürzer als sein Ringfinger.

Im Jahr 2002 hat Professor John Manning von der Universität Cambridge dieses Phänomen untersucht und damit eine neue Richtung der Genderforschung eröffnet, an der sich mittlerweile weltweit Institute durch Untersuchen beteiligen. Heute gilt Manning als der „Fingerlängenexperte“.

Die Erkenntnis Casanovas wird heute das 2D:4D-Verhältnis genannt. 2D steht für den Zeigefinger, 4D für den Ringfinger der Führungshand. Ist das Verhältnis kleiner als eins, ist also der Zeigefinger kürzer als der Ringfinger, sprechen wir von einer typisch männlichen Hand bzw. Einstellung. Ist das Verhältnis größer oder gleich eins, sind die Fingerlängen typisch weiblich.

Und was hat das mit dem Gehirn zu tun?

Der bisher stark vernachlässigte Aspekt der menschlichen Prägung in der pränatalen Phase ist das eigentlich Interessante und Spannende an den diversen Untersuchen. So spielt bei einer eher weiblichen Prägung des Gehirns die Konzentration von Östrogen, des weiblichen Geschlechtshormons, im Fruchtwasser eine herausragende Rolle. Die Hormonkonzentration im Fruchtwasser hat entscheidenden Einfluß auf das Verhalten von Frauen und Männern. Ist nun bei einem weiblichen Fötus die Konzentration des „Männlichkeits-Machers“ Testosteron im Fruchtwasser deutlich höher als normal, dann wird sich die betreffende Eigenschaft im Gehirn (z. B. eine räumliche Orientierung) in eine männlich-typische Richtung entwickeln. Das gleiche gilt in der Umkehr natürlich auch für die Entwicklung des männlichen Gehirns. So führt ein „Androgen-Bad“ durch das Hormon Testosteron zu einer eher männlichen Hirnprägung. Deshalb gibt es Frauen die entgegen aller Klischees gut einparken können und Männer die es nicht können.

Und was hat das jetzt mit Zeige- und Ringfinger zu tun?

Männer und Frauen haben unterschiedliche Fingerproportionen, das ist bekannt und kann von jedem jederzeit überprüft werden. Bei Männern überragt für gewöhnlich der Ringfinger den Zeigefinger. Bei Frauen verhält es sich genau umgekehrt. Ihr Zeigefinger ist länger als ihr Ringfinger oder beide sind gleich lang.

Um die 14. Schwangerschaftswoche bilden sich bei den Foeten beiderlei Geschlechts die Finger aus. Dabei wird die Entwicklung der Finger und der Geschlechtsorgane von demselben Gen gesteuert. Und hier zeigt der “Fruchtwasser-Cocktail“ bezüglich der Verhältnisse der Fingerlängen zueinander wieder seinen Einfluß.

Martin Cohn und Zhengui Zheng, beide Biologen an der University of Florida, ist es gelungen, den Entwicklungsmechanismus für die Finger zu entschlüsseln.

Ihr Ergebnis: Offenbar sind die Rezeptoren für Sexualhormone in den Fingern entscheidend. Die Androgen (Testosteron) Rezeptor (AR) Aktivität sowie die Östrogenrezeptor (ER) Aktivität ist im Ringfinger höher als im Zeigefinger. Die Wissenschaftler konnten beobachten, dass bei Männern die Androgenrezeptor-Aktivität während der Fingerentwicklung steigt, während sie bei Frauen sinkt. AR und ER haben also gegensätzliche Effekte auf das Fingerverhältnis.

Der Rezeptor, an dem Androgene andocken ist wichtig für die Entwicklung des männlichen, also kleinen, 2D:4D Verhältnisses, wohingegen ER für die Entwicklung des weiblichen, also großen, 2D:4D Verhältnisses benötigt wird. Inaktivierten die Biologen die Testosteron-Rezeptoren, verminderte sich das Wachstum des Ringfingers und ein weibliches Fingerlängenverhältnis entstand. Inaktivierten sie die Östrogenrezeptoren, konnten sie einen gegensätzlichen Effekt beobachten.

"Die Entdeckung, dass das Wachstum der Finger direkt von der Androgen- und Östrogenrezeptor Aktivität kontrolliert wird, bestätigt, dass Fingerlängenverhältnisse eine lebenslanges Abbild unseres frühen hormonellen Milieus sind", sagt Cohn.

Dieses Wissen könnte künftig beim Aufdecken von Erkrankungen im Erwachsenenalter helfen, die ihren Ursprung in der Embryonalentwicklung haben. Er fügt hinzu: "Die Vorstellung, dass uns unsere Finger etwas über die Signale verraten, denen wir während einer kurzen Zeitspanne im Mutterleib ausgesetzt waren, ist schon sehr aufregend".

So gibt es eine starke Korrelationen zwischen dem 2D:4D Verhältnis und verschiedenen Verhaltenstypen, Fruchtbarkeit, Krankheiten, Sportlichkeit sowie der sexuellen Orientierung. Und so hat die Geschlechter spezifische Gehirnentwicklung solche „Nebeneffekte“ wie das Fingerverhältnis ausgebildet, schreiben die Forscher im Journal "PNAS".

Wie muss man sich nun einen Mann vorstellen, dessen Gehirn total männlich, und wie eine Frau, deren Gehirn ausschließlich weiblich geprägt ist?

Ein männlicher Quotient wird mit Durchsetzungsvermögen, systematischem Denkstil und höherer sportlicher Leistungsfähigkeit in Verbindung gebracht, ein weiblicher - bedingt durch den Östrogen-Überschuss - dagegen mit Einfühlungsvermögen und einer besseren sprachlichen „Begabung“. Damit erfolgen in der pränatalen Phase wesentliche Prägungen für das Verhalten in späteren Jahren.

Und so kommt es, dass Jungen, wie der Hirnforscher Gerald Hüther es beschreibt, ihr Selbstwertgefühl aus der äusseren Welt ziehen. Aus dieser äusseren Welt ziehen sie ihre Orientierung und ihre Vorbilder. Sie interessieren sich für Funktionsprinzipien und versuchen, mehr oder minder systematisch, diese zu erfassen. Dafür wird „getestet“ und „ausgetestet“. Daher kommt es, dass ein kleiner Junge beim Spiel mit einer Puppe, diese untersucht und Arme und Beine bis an ihre Grenzen biegt und darüber hinaus. Er will wissen: „Wie funktioniert das?“

Dieses Verhalten ist Mädchen eher fremd. Ein Mädchen entwickelt in seiner Kindheit biologisch eher Grundlagen des Einfühlungsvermögens, der Empathie. Eine Frau fragt: “Wie fühlt sich das an?“. Sie ist von Natur aus stärker „angelegt“ und zieht ihr Selbstwertgefühl aus der eigenen Stärke.

Bei angeschlagenem Selbstwert neigen Frauen zu depressivem, Männer eher zu aggressivem Verhalten.

Die Psychologin Vera F. Birkenbihl macht darauf aufmerksam, dass bei den Geschlechtern ein erheblicher Unterschied in der Entwicklung von Grob- und Feinmotorik bei den besteht. Jungen entwickeln bis zur Pubertät in erster Linie die Grobmotorik, die Mädchen dagegen die Feinmotorik. Nach der Pubertät steht der jeweils andere Bereich im Fokus. Für die Schule bedeutet das, dass Schreiben-Lernen in kleinen Heften mit kleinen Linien und kleinen Buchstaben für die meisten Mädchen gut funktioniert, Jungen dagegen eher frustriert.

Natürlich gibt es Ausnahmen von dieser Regel. So zeigen zum Beispiel weibliche Autisten ein „typisch männliches Verhalten“. Eine der bekanntesten Vertreterinnen ist die englische Viehzucht-Forscherin Dr. Temple Grandin. Sie entwirft Anlagen für die traditionelle Tierhaltung mit dem Ziel einer Stress-Minimierung für die Tiere. Klare, systematische Denkprozesse sind ihr Ding, Empathie gegenüber Menschen hat sie allerdings kaum.

Und so gelten Frauen mit längerem Ringfinger als durchsetzungsstark, nicht besonders kommunikativ und seltener zu Neurosen neigend. Je länger der Ringfinger, umso ausgeprägter sind die Eigenschaften.

Bei Männern steht ein langer Ringfinger für Potenz und Sportlichkeit. Der Hormonspiegel beeinflusst auch die Gesundheit. Autismus, Migräne, Stottern, Schizophrenie und Depressionen können die Folge von zuviel Testosteron im Mutterleib sein.

Doch an dem Verhältnis der Fingerlängen lassen sich noch ganz andere Dinge ablesen. So haben Forscher herausgefunden, dass die D2:D4-Relation auch auf das mögliche Risiko von Herzinfarkt, Brustkrebs, Rechtschreibschwäche sowie auf die Neigung zu Linkshändigkeit und zu großer Fruchtbarkeit. Frauen sind besonders fruchtbar, wenn ihre Ringfinger kürzer als die Zeigefinger sind.

Zwischen den Extremformen geschlechtsspezifischer Hirne gibt es viele Zwischenstufen. Männer mit stark weiblichen „Gehirnwindungen“ werden in den entsprechenden Medien als „Warmduscher“ oder „Weicheier“ bezeichnet. Und ein „Frauenversteher“ versteht Frauen natürlich besser, er hat ja ein ähnliches Gehirn.

Und was bedeuten diese Erkenntnisse für unser tägliches Leben?

Unsere Gesellschaft legt größten Wert auf „Normalität“. Was „normal“ ist, ist per se gut. Unnormal zu sein dagegen bedeutet meist Stress.

Wer „unnormal“ ist, wird schnell als „ver-rückt“ abgestempelt. Dabei passt er lediglich nicht in unser selbstgewähltes und oft zu rigides Schema F. Wenn wir uns also mit dem Männlichen und dem Weiblichen beschäftigen, sollten wir immer berücksichtigen, dass wir damit einen durchaus großen Anteil von Menschen ausgrenzen.

Ständig zeigen wir mit Attributen wie ADHS, Dyslexie und Dyskalkulie vor allem unserem männlichen Nachwuchs, dass er der Norm nicht genügt.

Das wiederum führt zu einem Einbruch des Selbstwertgefühls, gesteigertem Aufmerksamkeitsdrang und zu erhöhter Aggressivität gegenüber der äußeren Welt.

Anstatt alles und alle in einen Durchschnitt pressen zu wollen, sollten wir lernen, Unterschiede zu lieben. Dann können die Un-NORMALen dieser Welt sagen: „Ich bin anders und ich bin stolz darauf.“

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